Deutschland legt beim Thema Neugründungen wieder zu. Die Gründungsquote ist in Deutschland im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte auf 5,28 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg ist nicht statistisch signifikant, aber die Quote ist höher als den beiden Vorjahren. Dennoch schneidet Deutschland mit diesem Wert im internationalen Vergleich weiterhin unterdurchschnittlich ab. Das geht aus dem neuen Länderbericht Deutschland zum Global Entrepreneurship Monitor (GEM) hervor, den das RKW Kompetenzzentrum (www.rkw-kompetenzzentrum.de) heute gemeinsam mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Universität Hannover (www.wigeo.uni-hannover.de) vorstellt. Seit 1999 werden die GEM-Daten jährlich von Forschern in mehr als 50 Ländern einheitlich erhoben.
Demnach ist der Gründeranteil, die sogenannte TEA-Quote, in strukturell vergleichbaren Ländern wie Kanada und Estland rund 3,5 mal so hoch wie in Deutschland. Anteilig weniger Gründer gibt es nur in Griechenland, Japan, Italien und Frankreich. Berechnet wird die TEA-Quote auf Basis des Anteils aller werdenden Gründer und Gründer bereits bestehender junger Unternehmen zwischen 18 und 64 Jahren an der Gesamtheit aller 18- bis 64-Jährigen des jeweiligen Landes.
Migranten und Männer gründen häufiger
Die Gründungshäufigkeit ist in Deutschland unter Migranten und Männern leicht überdurchschnittlich. Während die Gründerquote unter Migranten bei 6,0 Prozent liegt, weist sie bei Männern sogar 6,6 Prozent auf. Frauen gründen hingegen seltener ein eigenes Unternehmen. Hier liegt die Quote bei 3,9 Prozent aller Frauen. Das mag auch an der Wahrnehmung hinsichtlich der Gründungschancen liegen. Nur 35 Prozent der Frauen halten die Gründungschancen in Deutschland für gut – bei Männern liegt der Wert bei 48 Prozent.
Gründungshemmnisse: 42 Prozent der Deutschen würde die Angst vor dem Scheitern am Gründen hindern
Für die niedrige Gründungsquote in Deutschland ist unter anderem die Angst vor dem Scheitern verantwortlich. Rund 42 Prozent der deutschen 18- bis 64-Jährigen gaben dies als Grund an, der sie von einer Gründung abhalte. Damit landet Deutschland in dieser Statistik im internationalen Mittelfeld. Weit weniger Angst vor dem unternehmerischen Scheitern haben z.B. Niederländer. Nur rund ein Drittel aller niederländischen 18- bis 64-Jährigen hält die Angst vor dem unternehmerischen Scheitern von einer Gründung ab.
Aber auch die Rahmenbedingungen für Gründer in Deutschland sind laut Experten nicht optimal. In acht von zwölf betrachteten Variablen erhielten die Rahmenbedingungen für Gründungen in Deutschland eine schlechtere Note als der Durchschnitt der übrigen 23 innovationsbasierten Länder. Zwar werden öffentliche Förderprogramme und Finanzierungsmöglichkeiten hierzulande als überdurchschnittlich gut eingeschätzt, die schulische und außerschulische Gründungsausbildung sowie die gesellschaftlichen Werte und Normen schneiden jedoch schlecht ab.
Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer, Projektleiterin des RKW Kompetenzzentrums, kommentiert die Studienergebnisse:
“Die deutsche TEA-Quote liegt im aktuellen Global Entrepreneurship Monitor mit 5,28 Prozent rund 0,7 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Eine solche Entwicklung lässt sich nicht in allen technologiebasierten Ländern feststellen, in Referenzländern wie Polen, Irland oder der Niederlande ist die Gründungsquote gesunken.
Der Vergleich von Migranten mit Nicht-Migranten zeigt, dass die Gruppe der nicht in Deutschland geborenen mit einer TEA-Quote von knapp über 6 Prozent im Jahr 2017 etwas häufiger gründet. Dreiviertel dieser Migranten gründen, weil sie Marktchancen ausnutzen möchten und nicht aus Mangel an Erwerbsalternativen.
Eine Möglichkeit, den Anteil von Gründern konstant zu erhöhen, könnte daher in einer Lockerung des Gründungsprozesses für Migranten durch beispielsweise niedrigere Finanzierungshürden bestehen.”
Prof. Dr. Rolf Sternberg (Leibniz Universität Hannover), Leiter des GEM-Länderteams Deutschland, nennt weitere Möglichkeiten zur Bereicherung der Gründerkultur in Deutschland:
“42 Prozent der deutschen 18- bis 64-Jährigen geben an, dass die Chancen für eine Gründung in Deutschland gut seien, doch genauso viele würde die Angst vor dem Scheitern daran hindern, ein Unternehmen zu gründen. Hier bedarf es eines Umdenkens, in dessen Folge – zwischenzeitliches – Scheitern, z.B. mit einer Gründung, in der Gesellschaft nicht mehr per se als persönlicher und dauerhafter Makel angesehen wird. Vielmehr sollte jungen Menschen im Bildungssystem, z.B. in allgemeinbildenden oder berufsorientierten Schulen, die unternehmerische Selbstständigkeit als gleichwertige Alternative zur abhängigen Erwerbstätigkeit vermittelt und dabei unternehmerisches Scheitern als Teil eines Lernprozesses kommuniziert werden.”
Der gesamte GEM-Länderbericht Deutschland 2017/2018 ist unter dem nachfolgenden Link abrufbar: http://bit.ly/gruendungsmonitor; sämtliche deutschen GEM-Länderberichte seit 1999 unter https://www.wigeo.uni-hannover.de/gem2016.html