Kannst du dich bitte unseren Lesern kurz vorstellen? Wer bist du und was machst du?
Ich heiße Sohrab Mohammad, bin 34 Jahre alt und gemeinsam mit Torben Buttjer, 33 Jahre, Gründer und Geschäftsführer des Bremer Unternehmens Reishunger. Wir haben uns im Studium kennengelernt und nach der Uni im Jahr 2010 gemeinsam gegründet. Seitdem mache ich vor allem eins: Lernen wie man ein Geschäft nachhaltig aufbaut.
Was genau macht Reishunger und was ist das Besondere an Eurer Geschäftsidee?
Reishunger ist eine Reis-Handelsmarke sowie eine E-Commerce Plattform rund um das Thema Reis. Wir sourcen 22 verschiedene Reissorten (zum Beispiel Basmatireis, Risottoreis und Sushireis) in großen Mengen direkt von Bauern aus der ganzen Welt zu uns nach Bremen, wo wir den Reis abfüllen, auf unserem Onlineshop anbieten und direkt in die Endkunden senden. Da wir die ganze Wertschöpfungskette selbst abbilden, können wir einerseits fairen Handel und hohe Qualität, aber auch faire Preise garantieren. Inzwischen bieten wir neben Reis aber auch viele verwandte Körner wie Quinoa und Kichererbsen an, darüber hinaus gibt es bei uns im Show auch Zubehör wie Reiskocher – alles von unserer Brand Reishunger. Wer lieber „offline“ einkauft, der findet uns darüber hinaus in Feinkostläden, bei Edeka und Rewe im norddeutschen Raum, sowie um die Weihnachtszeit herum in unserem Pop-up Store.
Gab es bereits eine Seed-Finanzierung? Crowdfunding? Oder gibt es Business-Angel die euch bei eurem Vorhaben unterstützen? Nein, wir sind die letzten 7 Geschäftsjahre „gebootstrapped“, also immer aus eigenen Mitteln organisch gewachsen. Gestartet sind wir rein mit unserer GmbH-Einlage aus Eigenmitteln. Punktuell haben wir größere Projekte mit unserer Partnerbank realisiert. Das war sicherlich nicht immer einfach, weil Torben und ich immer voll im Risiko waren und uns von der Pieke auf alles selber beibringen mussten. Aber es hatte auch viele Vorteile: Wir waren einer der ersten reinen Online-Foodbrands in Deutschland und konnten uns kreativ komplett ausleben, ohne uns nach irgendwelchen Vorgaben zu richten.
Wo sitzt Ihr und warum habt Ihr Euch für diesen Standort entschieden? Was findet Ihr besonders gut an Eurem Standort? Wir sitzen in der schönen Hansestadt Bremen. Bremen ist eine Institution in Deutschland, was Lebensmittel-Weltmarken angeht. Aus unserer direkten Nachbarschaft stammen Marken wie Jacobs, Kellogs und Beck’s. Traditionell sind wir hier also gut aufgehoben. In Bremen gibt es mit der Uni, der Jacobs University, der Bremer Universität und der Kunsthochschule einige renommierte Universitäten und damit Zugang zu Talenten. Zudem schneiden Kriterien wie Platzangebot, Infrastruktur und Mietkosten im Vergleich zu den Gründungszentren wie Hamburg und Berlin noch gut ab, was ein angenehmes und konzentriertes Arbeiten ermöglicht. Aber die Nachteile liegen natürlich auf der Hand, wenn man nicht dort angesiedelt ist, wo die Start-up Party abgeht, wie z.B. in Berlin. Wir haben aber einen guten Weg gefunden, uns Inspiration und neuestes Wissen ins Haus zu holen, indem wir uns gut vernetzen und mit Agenturen zusammenarbeiten, die oft mitten im Geschehen sind. Eine gute Mischung also – so wie Reishunger selbst: 50% eCommerce und 50% klassischer, lebensmittelverarbeitender Händler.
Was sind Eure Planungen für die nächsten Jahre? Wird es eine kleine / größere Finanzierungsrunde geben? Wachstumsprognose etc.? Wie haben bisher immer organisch aus eigenem Cash-Flow gearbeitet und glauben damit weiterhin gut wachsen zu können. Wenn, dann würde uns ein Investor helfen, der uns wirklich signifikant nach vorne bringt und unser Wachstum exponentiell beschleunigen kann. Wir haben für Reishunger noch einige sehr gute Ideen und tatsächlich die allermeisten „klassischen“ Handelskanäle noch nicht einmal ansatzweise vollumfänglich bedient. Da ist also noch viel Potential!
Was waren die größten Schwierigkeiten, die Ihr auf Eurem Gründungsweg überwinden musstet? Torben und ich sind direkt nach der Uni gestartet und konnten deshalb recht naiv und frei an die Idee herangehen und sie Stück für Stück entwickeln, was sehr viele Vorteile hatte. Allerdings hatten wir auch noch keine Berufserfahrung, schon gar nicht als Unternehmer. Dadurch gab es eine Menge kleinerer Entscheidungen, die falsch waren und z.B. zu Abmahnungen, Fehleinkäufen, misslungenen Projekten und der Zusammenarbeit mit den falschen Leuten geführt haben. Wir haben z.B. einmal ein Produktfoto eines Handelsprodukts aus dem Internet gezogen, es auf unserer Seite als Produktbild veröffentlicht und es bei Presseanfragen munter herausgegeben. Das haben wir überhaupt nicht aus Böswilligkeit, sondern aus purer Unwissenheit getan. Dann kam irgendwann der Anwaltsbrief mit der Abmahnung für uns und ein paar Tage später die Meldung der ganzen Pressehäuser, weil die natürlich auch abgemahnt wurden. Das war nicht so lustig, aber im Nachhinein sehr lehrreich für uns. Zum Glück sind wir jedoch bislang von großen Katastrophen verschont geblieben.
Welche Informationsquellen für Gründer (Blogs, Webangebote, Magazin, Bücher, Beratungsstellen) könnt ihr anderen Gründern empfehlen? Wir waren und sind bis heute eigentlich sehr autodidaktisch unterwegs und vernetzen uns mit Leuten oder informieren uns mithilfe von Büchern oder Onlinerecherchen bei punktuellen Fragestellungen und Herausforderungen. So sind wir immer ganz gut gefahren, so dass ich keine speziellen Informationsquellen empfehlen kann. Generell viel lesen (auch und vor allem über Businessthemen hinaus) und viele gute Leute kennenlernen ist wahrscheinlich der beste Tipp!
Gibt es Vorbilder aus der Gründer- bzw. Startupszene? Als wir damals in 2011 gestartet sind, gab es noch nicht so viele Food eCommerce Unternehmen. Das war die Zeit, in der erstmals darüber gesprochen und mit Amazon Fresh und Blue Apron in den USA erste Konzepte erfolgreich getestet wurden. In Deutschland ging nicht sehr viel ab. Es gab eigentlich nur mymuesli, die wir heute gut kennen, sehr schätzen und die natürlich ein Beweis dafür waren, dass man mit guter Arbeit eine Online-Foodbrand aufbauen kann. Unser Produkt Reis hatte aber von Anfang an ganz eigene und sehr spezielle Herausforderungen, die wir kommunikativ anders lösen mussten. Der deutsche Küchenhaushalt hat nämlich keine lange Reishistorie. Das ist z.B. in England, als ehemalige Kolonialmacht in Indien, ganz anders. Für Engländer ist guter Basmatireis eine Selbstverständlichkeit. Wir mussten also nicht nur für uns selbst, sondern letztlich für das Nahrungsmittel Reis die PR-Trommel rühren! Da wir mit solchen Problemen zu der Zeit relativ alleine waren, gab es keine Vorbilder an denen wir uns orientieren konnten. Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes „unseren eigenen Reis gekocht“ 😉
Was würdet Ihr Euch von der Gründerlandschaft in Deutschland oder auch an eurem Standort wünschen? Es ist schwer diese Frage zu beantworten, weil ich noch in keinem anderen Land und an keinem anderen Standort gegründet habe. Aber gefühlt würde ich sagen, dass es Gründer in Deutschland schon sehr gut haben. Wir haben Zugang zu Wissen, zu Talenten, zu Geld und ein immer offeneres Ohr auf Seiten der Politik. Ich fühle mich als Gründer in Deutschland sehr gut aufgehoben. Speziell Bremen als Standort könnte meiner Meinung nach politisch aktiver sein, um Start-ups, vor allem in der Lebensmittelbranche, besser zu fördern. Bremen als alte Hafenstadt hat eine lange Tradition, was Nahrungsmittelproduktion und -handel angeht. Aber die Entwicklung der letzten Jahre der großen Weltmarken hier in Bremen wie Beck’s, Kellog’s und Jacobs zeigen, dass es keine gute Idee ist, sich nur auf seiner Tradition auszuruhen – sie ist vergänglich. Stattdessen sollte Bremen Firmen, die die Traditionsmarken von morgen sein könnten, mehr fördern und an die Stadt binden.